Trunkenheitsfahrt und Hitlergruß? Kein Grund zur Häme

Trunkenheitsfahrt und Hitlergruß? Kein Grund zur Häme


Ende Januar machte die 63-jährige Berliner Bezirkspolitikerin Jutta B. der Partei Bündnis 90/Die Grünen Schlagzeilen. Anlässlich einer nächtlichen Verkehrskontrolle wurde bei ihr als Kraftfahrerin ein Atemalkoholtest durchgeführt (Quellen: Tagesspiegel, BILD, Berliner Zeitung, T-Online). Dieser ergab einen Wert von 1,34 Promille. Die Polizisten nahmen sie mit zur Blutentnahme. Auf der Fahrt soll sie plötzlich den Hitlergruß gezeigt und zwei Mal "Heil Hitler" in Richtung der Beamten gerufen haben. Die Frau äußerte hierzu, dass sie sich von den Beamten unfair behandelt fühlte. Deswegen habe sie gefragt, warum man so mit ihr umgehe. Sie würde schließlich nicht "Heil Hitler" rufen. In diesem Zusammenhang habe sie dann den Hitlergruß gezeigt. Ergänzend sagte sie gegenüber der Deutschen Presseagentur: "Das alkoholisierte Autofahren und meine unangemessene und falsche Reaktion während einer polizeilichen Kontrolle waren inakzeptabel. Für dieses Fehlverhalten möchte ich aufrichtig um Entschuldigung bitten.“


Innerhalb kurzer Zeit gab es in den verschiedenen Medien Kommentare, die mitunter als hämisch zu bezeichnen waren. Formulierungen wie „Erstaunliche Verhaltensvielfalt!“ und „Sie hat Gesinnung gezeigt!“ waren dabei noch im eher Bereich „Zwinker-Smiley“ einzustufen.


Halten wir für uns erst einmal fest: Die Frau ist zwar Beschuldigte eines Strafverfahrens mit mindestens zwei Tatvorwürfen (Trunkenheit im Straßenverkehr und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole), dennoch gilt für sie bis zum richterlichen Urteil oder Strafbefehl die Unschuldsvermutung. Und dass Politiker bzw. Prominente bei Polizeikontrollen auch einmal mit Trunkenheitsdelikten auffallen können, ist nicht neu. Im Jahr 2017 war der Neuköllner Schulstadtrat Jan-Christopher R. (SPD-Mitglied) mit 1,44 Promille in seinem Wagen angetroffen worden. Die EKD-Vorsitzende Margot K. fiel 2010 mit Trunkenheit am Steuer auf (1,54 Promille) und trat darauf wie auch der Stadtrat von ihrem Amt zurück.


Bei einer Trunkenheitsfahrt wird dem Kfz.-Führer neben einer Geld- oder Haftstrafe mit dem Urteil die Fahrerlaubnis entzogen (siehe §§ 316 und 69 StGB). Da er mit der Tat gezeigt hat, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wird ihm schnellstmöglich nach der Tat die Fahrerlaubnis durch einen richterlichen Beschluss vorläufig entzogen (siehe § 111 a StPO). Der Führerschein wird möglichst noch am Einsatzort beschlagnahmt (siehe § 94 StPO).


Die sogenannte absolute Fahruntüchtigkeit beginnt bei 1,1 Promille. Herrschende Ansicht: Wer mit diesem oder einem höheren Wert ein Auto in Gang setzen kann, ist Alkohol gewöhnt. Ein mir bekannter Verkehrsrichter formulierte es früher wie folgt: „Das Auto in der Hand eines ungeeigneten Kraftfahrzeugführers ist ein potentielles Totschlagsinstrument." Wer um die teils dramatischen Folgen von Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss weiß, wird dieser sicherlich sehr deutliche Aussage nicht widersprechen.


Wenn Menschen mit einem derartigen Promillegehalt im Blut angetroffen werden, liegt die Vermutung nahe, dass sie ihren Alkoholkonsum nicht, um es vorsichtig zu formulieren, durchgängig kontrollieren bzw. begrenzen können. Weiter ergibt sich die Frage, ob der Kreis der Verwandten und (Partei-) Freunde nicht darauf aufmerksam wird. Fachleute sprechen von "Co-Alkoholikern"; aber das ist ein anderes Thema.


Kommen wir zu dem anderen Tatvorwurf, nämlich dem Zeigen des Hitlergrußes. Dieser ist strafbewehrt gemäß § 86 a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen). Zu jeder Straftat ist im weiteren Ermittlungsverfahren unter anderem die sogenannte kriminelle Energie zu prüfen. Ob die Bezirkspolitikerin tatsächlich dem NS-Regime sich so verbunden fühlt, dass sie vor den Polizisten den rechten Arm zum Gruß hob, kann wohl ausgeschlossen werden. Sie hat allerdings nach den vorliegenden Informationen diesbezüglich die Tatbestandsmerkmale der genannten Strafrechtsnorm erfüllt. Die Beamten, dem Legalitätsprinzip verpflichtet (siehe § 163 Abs. 1 StPO), müssen mit der Anzeige das Strafverfahren eröffnen. Leider ist es seit Jahr und Tag üblich, dass Polizisten nicht nur von Adressaten polizeilicher Maßnahmen der Hitlergruß gezeigt wird. Auch dann, wenn Polizeifahrzeuge in bestimmten Bereichen vorbeifahren, wird schon einmal der Arm entsprechend angehoben. Offenbar soll aus der Sicht dieser Menschen damit verdeutlicht werden, wie die Beamten mit ihren Handlungen bzw. mit ihrer Behördenkultur der Zeit von 33-45 nahestehen. Gerne ließe sich hier antworten „Es nervt", wenn es nicht doch tatbestandlich den Anfangsverdacht einer Straftat darstellen würde.


Zurück zur Bezirkspolitikerin der Grünen: Wenn in Teilen der Presse von einem Skandal um die sicherlich bisher engagierte Frau geschrieben wird, lässt sich das meines Erachtens mit dem Berliner Spruch „Hamwa dit nich ne Nummer kleena?“ relativieren.


Wir kennen den Satz „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie!" aus dem Neuen Testament. Um nicht missverstanden zu werden: Das Führen eines Kfz. unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ist beileibe nicht als Kavaliersdelikt einzustufen. Die Polizei kann in dieser Hinsicht nicht genug kontrollieren. Und für die drei von mir benannten Fälle kann nur festgehalten werden, dass die Polizeibeamten vermutlich folgenreiche Schäden auch für Unbeteiligte verhindern konnten. Gut gemacht, werte Kollegen!


Mit diesen Zeilen geht es mir auch darum, dass es in bestimmten politischen Kreisen Empörungsrituale gibt, die den politischen Gegner und damit auch die entsprechenden Wähler diskreditieren sollen. Dramatisierungen in den abwertenden Darstellungen lassen vielfach das Maß einer sachlichen Auseinandersetzung vermissen. Menschen, die ihre Rolle als Sixtus Beckmesser sehen und ihre scheinbar passenden Kommentare abgeben, helfen niemals weiter.


Damit bereits in unteren Ebenen zu einer besseren Form im politischen Umgang gefunden wird, wünschte ich mir folgendes: Wenn die 63-jährige ehemalige Lokalpolitikerin einen wichtigen Termin hat, zu dem sie ein Auto benötigt, lässt sie sich von einem Politiker fahren, dessen Partei (die hier nicht genannt sein soll) sie nun gar nicht mag. Im Auto kommen beide dann ungezwungen ins Gespräch, können Barrieren abbauen und ihren Beitrag zur Kultur des Respekts beitragen. Die politischen Überzeugungen muss niemand aufgeben. Vielleicht reicht einfach einmal das Zuhören aus, verbunden mit „Ja, aus dieser Sicht gibt es nachvollziehbare Punkte". Und ansonsten gäbe es noch viele andere Themen außer der Politik, worüber sich reden ließe. So hätte der Vorfall in Berlin eine Signalwirkung, die weg führt von der ständigen Selbstgerechtigkeit und Häme hin zu mehr bürgerlichen Anstand.